Buchvorstellung "Dr. Psych's Ratgeber Depressionen. Damit ihr wisst, wie ich mich fühle"
Dieser Ratgeber hat mich beim Lesen von der ersten Seite an berührt und mitgenommen. Mitgenommen auf einen Weg, dessen Ziel darin besteht, die Krankheit Depression erfahrbar, fühlbar zu machen.
Die beiden Autorinnen profitieren von ihrer eigenen großen fachlichen und menschlichen Erfahrung und verbinden diese mit tiefen Einblicken in das Erleben einer Depression, die ihnen in zahlreichen sehr persönlichen Interviews durch Betroffene ermöglicht wurden. Genau darin besteht auch die große Besonderheit und Stärke des Buches, das weniger auf den Kopf - also das Verstehen - als vielmehr auf das Herz - also das Mit-Fühlen - ausgerichtet ist.
Natürlich bekommt der Leser die notwendigen fachlichen Informationen (Ursachen, Symptome, Therapie, Selbsthilfe etc.), aber das geschieht erst in der zweiten Hälfte des Buches und zu einem Zeitpunkt, wo man längst ein Gefühl und eigene innere Bilder entwickelt hat zu dem, was sich Depression nennt und zahlreichen Menschen irgendwann in ihrem Leben begegnet.
Der Schreibstil der Autorinnen ist ausgesprochen angenehm, weil sie statt „Fach-Chinesisch“ lebensnahe Formulierungen verwenden und oft mit sehr passenden sprachlichen Bildern arbeiten. Bereits in ihrer Einleitung wählen sie für die von der Krankheit betroffenen Menschen und ihr Umfeld die Begriffe „Kämpfer“ und „Coach“. Das zeigt, mit wie viel Achtung und Respekt diejenigen betrachtet werden, die die Depression auf ihrem Lebensweg bewältigen müssen. Es macht aber auch deutlich, welche Rolle das Umfeld - Familie, Freunde, Kollegen aber auch professionelle Helfer - spielt. Ein Coach unterstützt und begleitet den Kämpfer, kann und wird ihm aber die einzelnen Schritte nicht abnehmen. Er ist eine zuverlässige Stütze und bleibt an der Seite des Kämpfers, wenn es Stillstand, Rückschläge, Zweifel usw. gibt. Diese Sicherheit wiederum braucht der Kämpfer, damit er sich immer wieder neu den Herausforderungen stellt.
Für mich persönlich ist es sehr wichtig, dass in dem Buch wirklich alle Aspekte, die mit Depressionen einhergehen, aufgegriffen werden. So auch das emotional schwierige Thema des Suizids bzw. Suizidversuchs. Meine Hoffnung ist, dass es auch durch solche Bücher gelingt, aus einem vermeintlichen Tabu-Thema etwas zu machen, dem wir uns alle stellen müssen. Das sind Fragen wie „Was bringt einen Menschen an den Punkt, wo der Suizid scheinbar der einzige Ausweg ist?“ und „Wie kann es gelingen, die Suizidprophylaxe auszubauen, um immer mehr Menschen andere Wege aufzuzeigen und sie dabei zu begleiten?“.
Mein Fazit nach dem Lesen:
Es ist ein wirklich außergewöhnlicher Ratgeber entstanden, der mit viel Liebe zum Detail, Einfühlungsvermögen, Kompetenz und Engagement verfasst wurde. Hier bekommen erstmals die Betroffenen eine Plattform, können ihre Sicht und ihre Erfahrungen schildern. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Leser davon profitieren kann. Entweder findet er sich in den Schilderungen der Interviews wieder oder er bekommt ein besseres Gefühl dafür, was sein Gegenüber denkt, fühlt und erlebt und kann somit adäquat darauf reagieren, zugleich aber als Angehöriger / Helfer auch gut für sich sorgen.
Bücher wie dieses erleichtern einen offenen Dialog zwischen allen Beteiligten! Das ist wertvoll und lohnt sich für uns alle!