Gefühle wahrnehmen

 Gefühlsstern

Mit Gefühlen bezeichnen wir in der Psychologie die individuellen Wahrnehmungen von dem, was eine Person als ihre Wirklichkeit erlebt. Wenn wir fragen, ob und wie ein Ereignis, ein Gedanke, eine Idee, eine Erinnerung etc. einen Menschen berührt, erfahren wir etwas über dessen Gefühle. Beim Erwachsenen sind Gefühlszustände überwiegend unwillkürliche, (teil-)automatisierte Reaktionen. Entscheidend für Gefühlsreaktionen sind die spezifischen (Be-)wertungen, die der Einzelne mit einem eintretenden Ereignis verbindet. Häufig erleben sich Menschen bezüglich ihrer Gefühle eher als passiv. Die Gefühle scheinen spontan, unwillkürlich, wie von selbst und außerhalb der Kontrolle zu entstehen. Diese Einschätzung trifft jedoch nicht zu. Es ist sehr wohl möglich, die eigenen Gefühle aufmerksam wahrzunehmen und zu erkennen, in welchen Situationen positiv erlebte Gefühle auftreten und wann es im Alltag eher schwierige Gefühle gibt.

  


Die amerikanische Psychologin Marsha M. Linehan hat im Zusammenhang mit der Entwicklung der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) sogenannte Grundgefühle benannt.

Die 6 Grundgefühle nach M. Linehan

Liebe

heißt: Zärtlichkeit, Fortpflanzung, Fürsorge, Wohlfühlen, Geborgenheit, Wertschätzung, Gemeinsamkeit

Freude

heißt: Lebensfreude, Lebenslust, positives Erleben, eigene Freude kann sich auf andere übertragen, Freude spornt an

Ärger

heißt: sich abgrenzen und zur Wehr setzen, Ärger zeigt, wann Verteidigung notwendig ist, wann Klärung ansteht

Traurigkeit  

heißt: Abschied nehmen (von Menschen, Situationen, verpassten Chancen, unerfüllten Wünschen...), sich trennen, loslassen Neubeginn

Angst

heißt: Gefahren erkennen und Schutz suchen, Angst kann lähmen, aber auch Ansporn für Veränderung / Weiterentwicklung sein

Scham

heißt: sich nackt, bloßgestellt und minderwertig fühlen, sich Schutz suchen, soziale Normen einhalten, kann zu Abwehr / Abgrenzung führen

 

6 weitere wichtige Gefühle nach A. Sendera

Ekel

heißt: Abstand halten, Vorsicht walten lassen, eine gesunde Abwehr in sich haben (Schutzmechanismen)

Schuld

heißt: Fehler ansehen, einsehen und wiedergutmachen, Neues lernen, soziale Normen einhalten

Neid

heißt: sich vergleichen, Neid kann missgünstig sein, aber auch Antrieb für Veränderung, Neid kann motivieren, um Ziele zu erreichen

Sehnsucht  

„ist die Brücke zwischen Realität und Fantasie, zeigt uns, wo unsere Wünsche und Träume zuhause sind“ (Zitat Sendera)

Schmerz

„ist ein Signal und verhilft dazu, einer Beeinträchtigung Beachtung zu geben, ob körperlicher oder seelischer Art“ (Zitat)

Leere

„Das Gefühl, nicht fühlen zu können, ist ein Mangel und eine Qual. In dem Menschen, der unter Leere leidet, muss etwas aufgefüllt werden.“ (Zitat)

 

Mit Hilfe dieser Übersicht haben Sie die Möglichkeit, gezielt zu reflektieren, in welchem Maße Sie die genannten Grundgefühle in Ihrem Lebensalltag wahrnehmen.

Grafik Grundgefühle wahrnehmen

Sie können sich die Tabelle als Vorlage über folgenden Link downloaden:

https://cloud.freiraum-psychologische-beratung.de/index.php/s/WAfpTamrddasm48

 

„Ich fühle mich schlecht, weil mein Chef mich ständig grundlos kritisiert“.

„Nach jedem Telefonat mit meiner Mutter bin ich enttäuscht und verärgert, weil sie mich einfach nicht ernst nimmt. Ich spüre im ganzen Körper, wie verkrampft ich bei diesen Gesprächen bin.“

„Ich habe mich sehr auf den gemeinsamen Kinobesuch mit meiner Freundin gefreut. Ihre Absage habe ich fast wortlos akzeptiert. Sie wird schon ihre Gründe haben.“

Es sind Aussagen wie diese, in denen erkennbar wird, welche Zusammenhänge zwischen unseren Gedanken, Gefühlen und Handlungen bestehen. Wenn es darum geht, uns selbst besser zu verstehen,  belastende Gefühle zu verändern und / oder in bestimmten Situationen anders zu handeln als bisher, dann ist oft eine systematische Selbstbeobachtung hilfreich.

Für diesen Zweck können Sie ein Gefühlsprotokoll nach dem hier dargestellten Beispiel führen. Darin erfassen Sie, wie Sie eine Situation erlebt haben. Welche Gedanken, Gefühle und körperlichen Reaktionen haben Sie bei sich wahrgenommen? Wie haben Sie sich verhalten? Wie hätten Sie sich gern verhalten? Wenn möglich, können Sie auch vermerken, was Sie an dieser „Wunschreaktion“ hinderte. Welches Maß an Anspannung haben Sie vor, während und nach der erlebten Situation gespürt?

Grafik Gefühlsprotokoll

Je häufiger und genauer Sie solche Selbstbeobachtungen festhalten, desto klarer können Sie typische Muster erkennen und im nächsten Schritt überlegen, wie Sie gewünschte Veränderungen erreichen.

Die Vorlage steht Ihnen über diesen Link zum Download zur Verfügung:

https://cloud.freiraum-psychologische-beratung.de/index.php/s/m7bD75QmQK229cg