Einfühlsam und bedürfnisorientiert miteinander reden

MeetingDer Psychologe Marshall B. Rosenberg hat auf der Grundlage seiner Erfahrungen und Beobachtungen die Methode der „Gewaltfreien Kommunikation (GFK)“ entwickelt. Sie ist darauf ausgerichtet, eine effektive und empathische Kommunikation zwischen den Menschen zu ermöglichen. Man kann sie nutzen, um freundlicher mit den eigenen Gefühlen umzugehen, enge Beziehungen zu vertiefen, im beruflichen Bereich bessere Kontakte aufzubauen oder Konflikte zu entschärfen. Inzwischen ist die GFK weltweit verbreitet und wird in verschiedenen Bereichen wie der Psychotherapie, Pädagogik, Mediation und der Organisationsentwicklung eingesetzt, unterstützt uns aber auch in unseren persönlichen Beziehungen.

Im Zentrum der GFK steht das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen sowie die eigene Bedürfnisstruktur. Die Methode basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch eine Vielzahl von Bedürfnissen hat, die erfüllt werden müssen, um ein erfülltes Leben zu führen. Diese Bedürfnisse sind universell und unabhängig von Kultur, Geschlecht oder Alter.

Die GFK besteht aus folgenden vier Schritten:

1. Beobachtung:

Beobachten Sie zunächst, was geschieht. Teilen Sie dies dem Anderen in Form einer Beschreibung, also ohne eine Bewertung der Situation auszudrücken, mit. Versuchen Sie, Fakten zu formulieren und noch nichts zu interpretieren.

2. Gefühle:

Machen Sie sich nun bewusst, welche Gefühle die Situation in Ihnen auslöst und erklären der anderen Person, wie Sie sich fühlen. Dabei ist es hilfreich, die Emotionen so konkret wie möglich benennen zu können.

3. Bedürfnisse:

Nun geht es darum, das Bedürfnis auszusprechen, das aufgrund der aktuellen Situation und der zuvor benannten Gefühle bei Ihnen besteht. Was sollte sich ändern, damit es Ihnen besser geht? Was brauchen Sie im Moment?

4. Bitte:

Haben Sie Ihr Bedürfnis klar ausgedrückt, fügen Sie noch eine Bitte hinzu. Fordern Sie Ihr Gegenüber noch einmal auf, sich in Zukunft anders zu verhalten - unmissverständlich, aber höflich. So betonen Sie, was Ihnen in Situationen wie dieser besonders wichtig ist.

Sich auf diese Weise auszudrücken ist jedoch nur ein Teil. Der andere besteht darin, ebensolche Informationen des Gegenübers aufzunehmen, seine Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten. So können beide voneinander erfahren und aufeinander achten.

(Quelle: Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation. Verlag Junfermann, Paderborn 2016)

Beispiel für die Anwendung der GFK

Ihr Kind sagt häufig nicht Bescheid, wenn es später nach Hause kommt als vereinbart. Um klarzustellen, wieso sich das ändern soll, könnten Sie die 4 Schritte für gewaltfreie Kommunikation beispielsweise so anwenden:

Beobachtung: “Du bist gestern später nach Hause gekommen als besprochen und hast mir keine Nachricht geschrieben.”

Gefühl: “Ich hatte große Sorge, dass etwas passiert sein könnte.”

Bedürfnis: “Ich möchte gerne wissen, wann du kommst, damit ich sicher sein kann, dass bei dir alles in Ordnung ist.”

Bitte: “Bitte melde dich ab jetzt immer kurz und gib Bescheid, wann du nach Hause kommst, wenn es später wird als geplant.”


Kleine Übungen zur GFK

1. Übung zum Beobachten

Schauen Sie sich einmal um und versuchen Sie, ganz wertfrei eine Beobachtung zu machen. Hören Sie ganz bewusst auf Ihre innere Stimme – gerade in Situationen, in denen Sie negativ über etwas denken. Können Sie die Situation auch ohne einen Vorwurf, ganz neutral beschreiben?

➡️ Beispiel:

👎 Verurteilend: “Das Zimmer ist so unordentlich, man kann kaum noch hineingehen.”

👍 Wertfrei: “Es liegen einige Kleidungsstücke und Flaschen auf dem Boden.”


2. Übung zum Ausdrücken der Gefühle

Sie haben schlechte Laune? Versuchen Sie, möglichst genaue Begrifflichkeiten für Ihre Gefühle zu finden. Sind Sie überfordert, besorgt, gekränkt oder vielleicht frustriert? Legen Sie sich eine kleine Liste an – gedanklich oder auf einem Notizzettel. Je besser Sie lernen, Ihre Gefühle konkret zu benennen, desto leichter können Sie sich einem Gesprächspartner mitteilen.

➡️ Beispiel:

👎 Allgemein: “Ich bin so sauer!”

👍 Konkreter: “Ich fühle mich verletzt, weil meine Erwartungen enttäuscht wurden.”


3. Übung zum Erkennen der eigenen Bedürfnisse

Meistens wissen wir schon ziemlich genau, was wir an einer Situation gerne ändern würden. In diesen Momenten können Sie anfangen, einen Schritt weiter zu denken: Wieso möchten Sie diese Änderung? Was würde sie bewirken? Hätten Sie danach andere Gefühle? Inwiefern würde sich die Gesamtsituation verbessern? So finden Sie heraus, was Ihre Bedürfnisse sind, was Sie antreibt, was Ihnen wichtig ist und warum es schlimm für Sie ist, wenn es einmal anders läuft.

➡️ Beispiel:

Ihr Kind schreibt Ihnen nicht, wenn es später nach Hause kommt. Durch eine Änderung des Verhaltens (wenn also eine kurze Nachricht käme) wären Sie weniger besorgt. Sie könnten außerdem genauere Pläne machen und Ihren Abend entspannt verbringen. Sie möchten Ihr Kind in Sicherheit wissen und Ihren Tag so verbringen, wie es Ihnen gefällt.


4. Übungen zum Formulieren der Bitte

Eine Bitte ist schnell formuliert - aber bringt sie auch etwas? Das ist sehr viel wahrscheinlicher, wenn sie folgende Kriterien erfüllt:

  • Konkrete Machbarkeit
  • Eine positive Formulierung
  • Überprüfbarkeit

➡️ Beispiel:

👎 Negativ, nicht konkret überprüfbar: “Kannst du bitte nicht immer so unordentlich sein?”

👍 Positiv, konkret überprüfbar: “Bitte räum das Geschirr nach dem Essen in die Spülmaschine und wisch kurz den Tisch ab. Vielen Dank!”


Fazit:

Die GFK bietet Wege, um so zu kommunizieren, dass Kooperationsbereitschaft entsteht.

Sie besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten:

  • Empathie: den anderen einfühlsam zuhören
  • Selbstklärung/Selbstempathie: sich selbst zuhören und in sich selbst einfühlen
  • Selbstmitteilung: sich selbst offen und achtsam ausdrücken

Wer sich in Gewaltfreier Kommunikation übt, lernt:

  • zu beobachten, ohne zu bewerten
  • Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken
  • Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen
  • die mit den Gefühlen verbundenen Bedürfnisse wahrzunehmen und auszudrücken
  • um das zu bitten, was das Leben bereichert, ohne zu fordern

Folgende Fragen an sich selbst können dabei Orientierung bieten:

  • Mit welcher Absicht spreche ich gerade?
  • Drücke ich mich so aus, dass bei meinem Gegenüber die Bereitschaft steigt, zur Erfüllung meiner Bedürfnisse beizutragen?
  • Bin ich bereit, ein Nein zu akzeptieren?
  • Bin ich mir dessen bewusst, dass ich Wahlmöglichkeiten habe, wie ich für meine Bedürfnisse sorge?

(Quelle: https://www.gewaltfrei-bewegt.de/wp-content/uploads/2020/09/GFK.pdf)


Literaturhinweise:

"Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens" 

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"Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation: Ein Gespräch mit Gabriele Seils" 

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